HAG-Projekt "Autist Mehmet" - "third-hand-X2" - innovative Entwicklung einer Kommunikationshilfe für neurophysiologisch Beeinträchtigte - |
1. Prolog - "Menschen mit Handicap eine Chance geben "Intention war und ist, den Brückenschlag zwischen High-Tech und gelebter Mitmenschlichkeit zu realisieren, wobei auch soziale Kompetenz eine wichtige Rolle spielt. Tüfteln, Entwickeln und Erfinden sollte nicht zweckfrei erfolgen, sondern dabei auch den sozialen Aspekt berücksichtigen. Ziel dabei ist es, „Menschen mit Handicap“ bei ihrem oft sehr eingeschränkten Alltag eine Chance zu geben. Besonderer Augenmerk für unsere kreativen Ideen ist, beeinträchtigten und behinderten Menschen mit innovativen Entwicklungen zu helfen, auf ihre Wünsche und Vorstellungen einzugehen. Mehrfach haben die
prämierten Behinderten-Assistenz-Systeme unsere Aktivitäten und Erfolge
bei internationalen Wettbewerben und Erfindermessen (z.B. mehrfache Sieger
bei „i hoch 3“ (BMWi), „Jugend forscht“, „Invent a Chip“ (BMBF), Gold-,
Silber-, Bronze-Award bei „ISIE“ in Süd-Korea) sichtbar werden lassen und
uns in den Medien bekannt gemacht. Heute interessiert man sich für uns
seitens Behinderten-Institutionen gerne auch für neue Herausforderungen, wie
beim aktuellen Projekt „Autist Mehmet“. Ziel ist die innovative
Entwicklung einer interaktiven Kommunikations-Unterstützung für
selbständiges Arbeiten am PC/Laptop als Alternative zur (subjektiv)
gestützten Kommunikation (FC - facilitated communication) autistisch
beeinträchtigter Personen durch eine ausgebildete Fachkraft. Was uns ganz
besonders freut, dass das Feedback überwältigend ist. |
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"vereinsamte Welt " der Autisten |
"alternativer Weg" |
2. Notwendigkeit für das „third-hand-X2“-Projekt Autismus als tief greifende Entwicklungsstörung, oft angeboren und begleitet von Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungsdefiziten, äußert sich durch Schwächen in sozialer Interaktion und Kommunikation sowie durch stereotype Verhaltensweisen aber auch Stärken bei Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Intelligenz. Sehr oft sind damit neuronale Blockaden verbunden, die akute Sprech- und Bewegungsbarrieren bedingen und somit eine interaktive Kommunikation nicht möglich ist. Durch eine spezielle Ausprägung mit vollständiger
Kommunikationsblockade, bedingt durch neurophysiologische Blockaden
manueller Bewegung, verbunden meist auch mit Sprachlosigkeit,
sind weltweit 0.1 % der Menschen betroffen, in Deutschland ca.
50.000 Menschen. Also Grund genug, sich einer möglichen Realisierung der
innovativen Kommunikations-Hilfe „third-hand-X2“ anzunehmen, um den bisher
weitgehend kommunikativ isolierten Autisten die Chance zu geben, sich selbst
nach „außen“ öffnen zu können. Das Projekt "Autist Mehmet" ist auf sehr
großes Feedback gestoßen und wird von den Medien begleitet. |
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"Magazin-Mehmet Teil 1" |
"Magazin-Mehmet Teil 2" |
Fast
zwei
Jahre lang versuchte unser HAG-Leiter, Herr Sturm, ein Vertrauensverhältnis zum
zunächst sehr abweisenden autistischen Jugendlichen zu initiieren. Es schien
fast aussichtslos, den für das Projekt notwendigen zwischenmenschlichen
Kontakt aufzubauen. Erst ein verzweifelter Zaubertrick unseres stürmischen
„Magiers“ veranlasste schließlich Mehmet zu spontanen Schreien, begleitet
von euphorischen Faustschlägen auf den Rücken unseres völlig verdutzten HAG-Leiters. Der
Bann war gebrochen und Mehmet wurde allmählich
kooperationsfreudiger, wenn auch mit so manchen Rückschlägen. Erste
Kontaktbegegnungen mit Schülern des Faust-Gymnasiums erfolgten durch Mitnahme in den
Mathematikunterricht von Herrn Sturm.
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Mehmet im Gymnasium |
Mehmets Vertrauen gewonnen |
Mit wachsendem Vertrauen und einem
immer mehr geöffneten Verhalten ergaben sich wichtige Einblicke in die ganz
besondere Welt eines Autisten, die für eine potentielle Entwicklung von
unschätzbarer Bedeutung sein könnten. Völlig ungewohnte Verhaltensweisen
erforderten zunächst ein Umdenken in der bisherigen Kommunikationsart und
der Interpretation zwischenmenschlicher Ausdrucksweise. So kann sich der
Gemütszustand sehr schnell ändern. Mal sehr aktiv, dann eher zurückgezogen, bedächtig,
nachdenkend, in der Bewegung plötzlich verharrend, dann wieder
spontan impulsiv, fordernd und ungeduldig. Ein großes Problem
ist dabei die vollständige Sprachlosigkeit und akute
Bewegungsblockade der Arm-Dynamik, besonders in
der Auf- und Abbewegung, wodurch eine aktive Kommunikation
weder durch Sprache noch durch Schreiben am PC/Laptop möglich ist. Mehmet
scheint alles in sich wie ein Schwamm aufzunehmen, zeichnet sich durch
besondere Intelligenz aus und verfügt wohl auch über eine Art fotografisches
Gedächtnis (z.B. stets Sieger beim Memory-Spiel). |
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Mehmet in Gedanken versunken |
Mehmet voller Lebensfreude |
Neuronale Blockaden mit senso-motorischen Störungen sind bei einigen Behinderungsausprägungen anzutreffen, so auch bei speziellen Formen von Autismus. Mit „third-hand-X2“ als interaktive Kommunikations-Unterstützung soll selbständiges „Schreiben“ (Tippen) am PC als Alternative zur „gestützten Kommunikation“ realisiert werden. Die innovative Entwicklungs-Idee
verknüpft eine bequeme, geräuscharme, nicht bewegungshemmende vertikale
Armführung mittels Sensor gesteuerten elektrischen Antrieb. Der
„geführte Schreibarm“ wird dazu in einem speziell maßgefertigten und
ausgepolsterten Arm-Stütz-System eingelegt. Die Rückführung des
Arm-Stütz-Systems in die Ausgangslage („NN“ - ca. 5 cm über der PC-Tastatur)
übernimmt eine elektronisch geregelte DMS-Balancer-Komponente, die
Arm-Kraft gesteuert über Dehnungsmessstreifen (DMS) und Distanzsensoren
Signale erhält.. Bei Erkennung von Bewegungsblockaden wird eine schnelle
Hubbewegung (ca. 30 cm über „NN“) zurück zur Ausgangslage ausgelöst. |
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"third-hand-X2"-System |
"third-hand-X2"-Strukturdiagramm |
Zentrales Problem bei speziellen Ausprägungen von Autismus sind individuelle Phasen spontaner Handlungsinaktivitäten, denen bei (subjektiv) „gestützter Kommunikation“ durch eine ausgebildete Fachkraft durch äußere persönliche Impulse (Berühren, Handauflegen, Ansprechen) entgegengewirkt werden kann. Da bei (objektiv) gestützter Kommunikation i.a. ein persönlicher Kontakt nicht abrufbar ist, wird zunächst als mögliche adäquate Aktivierungs-Variante eine weiche, anschmiegsame Frottee-Arm-Manschette mit Klettverschluss getestet. In diese ist ein Bewegungs-Aktivierungs-Modul integriert, das nach Registrierung von Aktivitätspausen durch einen Bewegungssensor ein leichtes elektrisierendes Kribbeln auf der Haut des passiven Armes auslöst und als Aktivierungssignal wahrgenommen. „third-hand-X2“ ist unter der Zielsetzung entwickelt
worden, dass durch ein weitgehend offenes Hard- und Software-Konzept mit
einer Adaption an die individuellen Behinderungsausprägungen reagiert werden
kann. Die Prototyp-Entwicklung kann nur als eine erste
potentielle (objektiv) gestützte Kommunikations-Hilfe angesehen
werden, die weiterer innovativer Ideen-Realisierung bedarf. |
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Arm-Stütz-System |
Mehmets erste Versuche |
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